Am Ende des Zeitalters

Was können wir über das Ende der Welt wissen? Steht die Apokalypse unmittelbar bevor und muss man Angst vor der Zukunft haben? Wird die menschliche Geschichte im Weltfrieden enden oder in der totalen Zerstörung?

Das Ende ist nah?

Die Maya-Indianer aus Mittelamerika nutzten einen besonderen Kalender: Die so genannte Lange Zählung. Ein Zyklus dieses Kalenders begann im Jahr 3114 v. Chr. und endete am 21. Dezember 2012. Als dieses Enddatum näher rückte, gingen viele Menschen davon aus, ein neues Zeitalter würde anbrechen. Man vermutete, die Maya hätten durch Kontakt zu Göttern oder Außerirdischen Informationen über das Ende der Welt in ihrem Kalender verankert. Manche gingen davon aus, die Menschheit würde einen Evolutions-Sprung machen oder Außerirdische vom Planeten Nibiru würden uns mit ihren Lichtschiffen abholen.

Nichts davon geschah. Und trotz des falschen Alarms wird das nächste Apokalypse-Datum nicht lange auf sich warten lassen. Es ist ein Jahrtausende altes Geschäft: Immer wieder kündigen selbsternannte Propheten exakte Weltuntergangs-Termine an und schüren damit Angst und Verwirrung. Und doch sind wir immer noch hier. Bei all der Verwirrung ist es beruhigend zu wissen, dass es auch verlässliche und klare Aussagen zum Ende der Welt gibt. Noch dazu von jemandem, der es wissen muss: Von Jesus Christus, dem Sohn und Gesandten Gottes.

Die Rede am Ölberg

Der jüdische Friedhof am Hang des Ölbergs, mit Blick auf Jerusalem.

Am Ende seines Lebens hielt der Rabbi aus Nazaret auf dem für seine vielen Olivenbäume bekannten Ölberg gegenüber von Jerusalem die bekannte Endzeit-Rede. Darin nannte er einige Zeichen der Zeit, an denen seine Jünger das nahende Ende des Zeitalters erkennen könnten. Die Rede wurde von drei der vier Evangelisten (Matthäus Kapitel 24, Markus Kapitel 13 und Lukas Kapitel 21) überliefert, und obwohl sie in vielen Passagen den gleichen Wortlaut haben, sind in jedem Text Gedanken enthalten, die die jeweils anderen beiden nicht haben („Sondergut“). Jeder Evangelist setzte andere Schwerpunkte und/oder erinnerte sich nicht mehr an alle Details, die Jesus nannte. Mit anderen Worten: Die historische Rede von Jesus muss rekonstruiert werden.

Es gibt Bibelausleger, die unterstellen, Jesus habe die Rede mehrfach bei verschiedenen Gelegenheiten gehalten. Die Rede, die Lukas überliefert, thematisiere demnach die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. In der Rede bei Matthäus und Markus warne Jesus dagegen vor einer zukünftigen Zerstörung Jerusalems. Tatsächlich fällt auf, dass Lukas den Fokus deutlich auf Jerusalem und das Volk der Juden im Kontrast zu den Heidenvölkern legt. Er nennt auch nicht den Ölberg als Ort des Geschehens. Trotzdem gehe ich davon aus, dass alle drei Evangelisten die selbe Rede überliefern, denn der Anlass ist immer der gleiche: Seine Nachfolger bewundern die Größe des Jerusalemer Tempels. Der gesamte Aufbau der Rede ist bei allen dreien nahezu identisch, und die Unterschiede lassen sich sehr gut durch persönliche Gewichtung der Autoren und die unterschiedliche Leserschaft erklären.

Ich habe also versucht, aus den drei Texten eine Synopsis zu erstellen. Als Grundlage dient die Rede des Matthäus-Evangeliums, in die ich alle zusätzlichen Gedanken von Markus und Lukas im biblischen Wortlaut eingebaut habe. Verwendet man diese Rekonstruktion als Grundgerüst für die zeitliche Einordnung aller anderen biblischen Endzeit-Ereignisse, gelangt man zu einer viel natürlicheren und einfacheren Chronologie, als wenn man zwei unterschiedliche Reden annimmt.

Der Dreh- und Angelpunkt in Jesu Rede ist der damalige Tempel in Jerusalem. Jesus kündigte die baldige Zerstörung dieses gewaltigen Bauwerks an. Seine Schüler assoziierten damit offenbar das Ende eines Zeitalters und fragten sich natürlich gleichzeitig, wann Jesus denn dann gedenke, das ewige Friedensreich zu errichten, von dem er die meiste Zeit seines öffentlichen Wirkens gepredigt hatte. Mit Jesu Ankunft (griechisch: parousias) ist der Beginn seiner Königsherrschaft gemeint.

“Und Jesus trat hinaus und ging von dem Tempel weg; und seine Jünger traten zu ihm, um ihn auf die Gebäude des Tempels aufmerksam zu machen. Und als einige von dem Tempel sagten, dass er mit schönen Steinen und Weihgeschenken geschmückt sei, sprach er: Seht ihr nicht diese großen Gebäude? Wahrlich, ich sage euch: Tage werden kommen, in denen nicht ein Stein auf dem anderen gelassen wird, der nicht abgebrochen werden wird. Als er aber auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas für sich allein zu ihm und einer sprach: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?“

Die gesamte Ölberg-Rede muss als Antwort auf diese dreifache Frage der Jesus-Schüler verstanden werden. Erstens: Wann wird der Tempel zerstört? Zweitens: Was wird das Zeichen von Jesu Ankunft (Parusie)? Drittens: Was ist das Zeichen der Vollendung des Zeitalters?

Der Anfang der Wehen

Zunächst stellt Jesus klar, was eben gerade keine Zeichen des Endes sind, sondern nur die “Anfänge der Wehen“. Der Geburtsvorgang ist ein wunderbares Bild, um eine grobe zeitliche Einschätzung zu vermitteln: Wenn die Wehen einsetzen, weiß die Frau, dass es jetzt im Vergleich zu den vergangenen neun Monaten relativ schnell gehen wird, aber gleichzeitig liegt der schwierigste Teil der Geburt noch vor ihr:

„Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch niemand verführe! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! Und: Die Zeit ist nahe gekommen! Geht ihnen nicht nach! Und sie werden viele verführen. Ihr werdet aber von Kriegen und Kriegsgerüchten hören. Seht zu, erschreckt nicht! Denn es muss vorher geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn es wird sich Nation gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich, und es werden große Erdbeben sein und an verschiedenen Orten Hungersnöte und Seuchen; auch Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel wird es geben. Alles dies aber ist der Anfang der Wehen. Ihr aber, seht auf euch selbst!“

Das Hauptanliegen Jesu ist hier, dass niemand verunsichert wird. Im Lauf der Zeit werden Dinge geschehen, die den Eindruck vermitteln könnten, das Ende der Welt sei gekommen. Besonders gefährlich sind dann jene falsche Propheten, die diese Ereignisse ausnutzen, um ihrer eigenen apokalyptischen Propaganda Nachdruck zu verleihen und damit Panik verbreiten. In diesem Abschnitt taucht verstärkt die Aufforderung zum Sehen auf. Die Jesus-Nachfolger sollen auch angesichts beängstigender Nachrichten einen klaren, nüchternen Blick behalten und die Hilfe leisten, die jeder mit seinen individuellen, gottgegebenen Fähigkeiten leisten kann: „Seht auf euch selbst“.

Zu allen Zeiten unserer Weltgeschichte hat es Kriege, Erdbeben, Hungersnöte, Seuchen und Himmelsphänomene gegeben. Durch das Bild der Wehen verstehen wir: Je heftiger diese Ereignisse werden, desto näher rückt die Königsherrschaft von Jesus. Wir werden noch sehen, dass die Zeit ab der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. bis in unsere Gegenwart das ist, was Jesus als das Ende bezeichnet. Die Wehen haben also vor dem Ende des Zeitalters begonnen, aber halten die ganze Endzeit über bis heute an und werden immer intensiver. Was wir heute erleben, ist meiner Ansicht nach nicht mehr der Anfang der Wehen, sondern das sind deutlich fortgeschrittene Presswehen.

Gegen das COVID-19 Coronavirus wurden weltweit tiefgreifende Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung beschlossen. (c) Tumisu | Pixabay.com

Was früher Dritte Welt genannt wurde, stellt heute mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung dar. Im Jahr 2009 berichtete die BBC, dass nun offiziell eine Milliarde Menschen hungern – das ist etwa jeder siebte Mensch auf Erden! Früher waren die Seuchen die Pest oder die Spanische Grippe; in unseren modernen Zeiten sind es sexuell übertragbare Krankheiten wie AIDS, mit Tausenden von Opfern in nur wenigen Jahren. Der Ausbruch des Corona-Virus im Jahr 2020 führte zu einer Pandemie mit nie da gewesenen Einschränkungen für die Weltbevölkerung. Durch strenge Quarantäne-Maßnahmen kamen große Teile der Weltwirtschaft zum Erliegen. Das verschlimmerte die Situation der Hungernden nur noch weiter.

Das 20. Jahrhundert fügte der menschlichen Geschichte die ersten beiden Weltkriege zu. Allein im Zweiten Weltkrieg starben 50 Millionen Menschen und – laut Wikipedias Liste von Kriegen – seitdem mindestens noch einmal so viele in anderen Kriegen. Auf Erden ist praktisch immer irgendwo Krieg, und die Ausmaße werden stets gewaltiger. Das Atomzeitalter versetzt Menschen in die Lage, den gesamten Planeten auszulöschen – mit immer stärkeren Waffen. Wir beobachten außerdem das gigantische Problem der Umweltverschmutzung, das irreparable Schäden in der Natur anrichtet.

Ob die Zahl der Erdbeben seit Jesu Lebzeiten wirklich gestiegen ist, ist schwer zu beurteilen. Fakt ist aber, dass heutige Erdbeben durch das explosionsartige Wachstum der Weltbevölkerung immer mehr Menschenleben fordern und immer größeren Schaden anrichten. Durch die Massenmedien sind wir erstmals in der Situation, dass wir von jedem größeren Erdbeben erfahren. Dadurch entsteht zumindest der Eindruck einer wachsenden Gefahr durch Erdbeben.

Christenverfolgung unter Kaiser Nero

Der nächste Abschnitt legt den Fokus noch intensiver auf das, was Jesu Fragestellern unmittelbar bevorstand. Diese Dinge würden noch vor den Anfängen der Wehen geschehen. Es scheint, als lenke Jesus den Blick seiner Nachfolger zunächst bewusst weg von den weit entfernten Geschehnissen hin zu den Dingen, die in ihrer Gegenwart relevant sind:

„Vor diesem allem werden sie ihre Hände an euch legen und euch verfolgen, indem sie euch an die Synagogen und Gefängnisse überliefern, um euch vor Könige und Statthalter zu führen; und ihr werdet von allen Nationen gehasst werden um meines Namens willen. Es wird euch aber zu einem Zeugnis ausschlagen. Und allen Nationen muss vorher das Evangelium gepredigt werden. Setzt es nun fest in euren Herzen, nicht vorher darauf zu sinnen, wie ihr euch verantworten sollt! Denn ich werde euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht werden widerstehen oder widersprechen können. Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Heilige Geist. Und dann werden viele verleitet werden, ihr werdet aber sogar von Eltern und Brüdern und Verwandten und Freunden überliefert werden, und sie werden einige von euch töten; und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen. Und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen; und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten erkalten. Und nicht ein Haar von eurem Haupt wird verloren gehen.“

Der wahnsinnige Kaiser Nero im Film „Quo Vadis“ aus dem Jahr 1951

Die engsten Nachfolger von Jesus sind beinahe ausnahmslos als Märtyrer gestorben, weil sie überall von Jesu Totenauferstehung und seinem Aufruf zur Buße erzählten. Der Apostel Paulus verantwortete sich sogar vor dem römischen Kaiser Nero, bevor er geköpft wurde. Über die römischen Handelsstraßen konnte das Evangelium sehr schnell in der gesamten antiken Welt verbreitet werden, sodass es wirklich zu “allen Nationen“ gelangte.

Jene, die durch die eifrige Missionsarbeit der Apostel zu Schülern Jesu wurden, verweigerten fortan die Anbetung des Kaisers. Der neue Weg des Nazareners war deshalb schon vor der Zerstörung Jerusalems ein so großes Ärgernis für das Imperium Romanum, dass es zu einer Welle blutiger Christenverfolgungen kam. Nero ließ Christen als Fackeln aufstellen und in der Arena von wilden Tieren zerfetzen. Bis heute ist es häufig so, dass Menschen den Berichten über Jesu Auferstehung keinen argumentativen Widerspruch entgegenbringen (können), sondern nur Spott und Hass. Die Aussage, dass “kein Haar verloren gehen wird“ bedeutet also nicht, dass Jesu Nachfolger von allem Übel verschont werden. Sondern es bedeutet, dass Gott nichts entgeht. Er kontrolliert alles und wird zuletzt alle Dinge wieder zurechtbiegen.

Ein Gräuel der Verwüstung

Nun folgt der zentrale Teil der Jesusworte. Endlich beantwortet der Rabbi eine der Fragen seiner Jünger, nämlich die Letzte. Noch einmal bestätigt er, dass das Evangelium zunächst allen Nationen gepredigt werden muss. Erst dann käme das Ende:

“Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden. Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen. Wenn ihr aber Jerusalem von Heerscharen umzingelt seht, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe gekommen ist! Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, an heiliger Stätte stehen seht, wo er nicht stehen soll – wer es liest, der merke auf! -, dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen; und die, die in seiner Mitte sind, daraus fortgehen; wer auf dem Dach ist, soll nicht hinabsteigen, um die Sachen aus seinem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, soll nicht zurückkehren, um seinen Mantel zu holen.“

Das Zeichen der Vollendung des Zeitalters wäre also die Belagerung Jerusalems, sagt jedenfalls der Evangelist Lukas. Matthäus und Markus dagegen nennen als Zeichen nur einen seltsamen Gräuel der Verwüstung, der an einer Stelle stehen wird, an der er nicht sein soll. Der Gottesmann Daniel hatte viele Jahrhunderte zuvor ebenfalls in prophetischer Voraussicht von einem verwüstenden Gräuel gesprochen (Daniel 11,31). Die Erfüllung seiner Prophezeiungen liegt aber größtenteils schon in unserer Vergangenheit, sodass wir sagen können, was dieser Gräuel war: Die Verunreinigung des jüdischen Tempels durch den seleukidischen König Antiochus IV. Epiphanes. Im Jahr 167 v. Chr., so berichtet der Historiker Flavius Josephus, ließ dieser grausame Herrscher den Jerusalemer Tempel in eine Kultstätte des Zeus umweihen und Schweine auf dem Altar opfern (Jüdische Altertümer, Buch XII, 253-254).

Relief auf dem Triumphbogen des Titus in Rom. Abgebildet sind jüdische Gefangene und ein erbeuteter siebenarmiger Leuchter nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr.

Es gibt Bibelforscher, die davon ausgehen, der Gräuel der Verwüstung bei Matthäus und Markus würde erst in unserer Zukunft aufgestellt. Doch das erscheint mir unlogisch, denn an genau der Stelle, an der die beiden Evangelisten den Gräuel der Verwüstung erwähnen, schreibt Lukas von der Belagerung der Stadt im Jahr 70 n. Chr. und sagt, dass dann Jerusalems Verwüstung (!) unmittelbar bevorsteht. Da liegt es doch nahe anzunehmen, dass beide das gleiche Ereignis meinen, oder etwa nicht? Der Gräuel meint offensichtlich die Besatzung Jerusalems durch fremde Völker, oder spezieller: Die Verunreinigung und Verwüstung des Tempelbezirks durch Nichtjuden. Auch der Kirchenhistoriker Eusebius von Cäsarea (260-340 n. Chr.) vertrat diese Ansicht in seiner Kirchengeschichte (Buch III, 5,4).

Das bedeutet, nach Jesu Verständnis kam das Ende des Zeitalters mit der Belagerung und Eroberung Jerusalems im Jahr 70. Eusebius überliefert auch, dass die Jerusalemer Christen die Warnung Jesu sehr ernst genommen und rechtzeitig in die nahe gelegene Stadt Pella geflohen sind (Kirchengeschichte Buch III, 5,3). So wurden sie vor dem schlimmsten Übel bewahrt. Denn kurz danach, zur Zeit des Pessach-Festes, schlossen vier römische Legionen (etwa 70.000 Soldaten) den Belagerungsring. Zu dieser Zeit waren nach Angaben von Josephus mehr als 3 Millionen Menschen in der Stadt (hauptsächlich Festpilger), von denen nach sechsmonatiger Belagerung 1,1 Millionen durch das Schwert, den Hunger, die Flammen oder durch Kreuzigung starben. 97.000 Überlebende wurden in die Sklaverei verkauft (Der jüdische Krieg, Buch VI, 420-422).


Große Bedrängnis und Zeiten der Nationen

Nun geschieht etwas sehr Interessantes: Jesus erklärt die größeren Zusammenhänge der bevorstehenden Katastrophe. Es seien “Tage der Rache“, durch die letztlich alle Prophezeiungen des Alten Testaments erfüllt werden sollen. Das beinhaltet das Weltgericht über die Heidenvölker und die Errichtung eines Friedensreiches mit Jerusalem (!) als Zentrum.

„Denn dies sind Tage der Rache, dass alles erfüllt werde, was geschrieben steht. Wehe aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn große Not wird auf der Erde sein und Zorn gegen dieses Volk. Betet aber, dass eure Flucht nicht im Winter geschehe noch am Sabbat! Denn dann wird große Bedrängnis sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nie sein wird. Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen; und Jerusalem wird zertreten werden von den Nationen, bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden. Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.“

Adolf Hitler im Film „Der Untergang“ von Oliver Hirschbiegel aus dem Jahr 2004

Die Drangsal, die über das Volk der Juden käme, wäre unvergleichlich in Vergangenheit und Zukunft. Laut Josephus war es gewiss eine schlimme Zeit, als die römischen Legionen unter ihrem Feldherrn und späteren Kaiser Titus ganz Jerusalem in Schutt und Asche legten und den Tempel bis auf die heutige Klagemauer niederrissen. Aber angesichts des Holocaust und der Judenvernichtung unter Adolf Hitler kann man es kaum mehr als die größte Drangsal der jüdischen Geschichte bezeichnen. Dazu kommt erschwerend, dass der Prophet Daniel für die Zeit der Wiederkunft Jesu und der Auferstehung der Toten ebenfalls eine Drangsal angekündigt hat, so heftig wie keine davor und keine danach (Daniel 12,1+2). Wie kann das sein? War die große Drangsal nun im Jahr 70 n. Chr. oder kommt sie noch zur Zeit der Totenauferstehung? Aufgrund dieser schwierigen Frage haben viele angenommen, dass Matthäus und Markus von einer zukünftigen Belagerung Jerusalems sprechen, während Lukas die Ereignisse des Jahres 70 im Sinn hatte – denn bei Lukas fehlt die Formulierung einer „großen Bedrängnis wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nie sein wird.“

Es gibt aber eine viel elegantere und intuitivere Erklärung. In der Theologie wurde die Größe der Drangsal bisher immer auf ihre Intensität bezogen; aber was wäre, wenn sie viel mehr auf die extreme Dauer bezogen werden muss? Die Drangsal ist dann groß im Sinne von lang! Sie hat mit der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 begonnen und hält bis heute an. Im Lukas-Evangelium sagt Jesus doch genau das: Jerusalem wird zertreten, “bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden.“ Er hält es sogar für nötig zu erwähnen, dass diese Tage verkürzt werden müssen, da sich die Menschheit sonst selbst vernichten würde. Die Notwendigkeit einer Verkürzung impliziert einen langen Zeitraum.

Tatsächlich leben die Juden seit der römischen Belagerung in ständiger Rastlosigkeit und Verfolgung. Das ganze Mittelalter hindurch wurde ihnen von verblendeten Christen vorgeworfen, Jesus gekreuzigt zu haben. Sie wurden diskriminiert, verfolgt und getötet. Selbst seit 1948, dem Jahr der Staatsgründung Israels, ist die Angst vor dem Raketenbeschuss und den Terror-Anschlägen der feindlichen Nachbarn ringsum ein ständiger Begleiter. Um es kurz zu sagen: Die Zeiten der Nationen sind gleichzeitig die große Drangsal für Israel.

Alle Nationen bei Jerusalem

Jesus wird nicht müde, nun ein drittes Mal vor falschen Messiassen zu warnen. In der Endzeit werden das aber keine kleinen Möchtegerns sein, sondern Menschen in einflussreichen Positionen. Sie werden Mittel und Wege haben, derart überzeugende “Zeichen und Wunder“ zu tun, dass quasi jeder darauf hereinfallen wird, der sich nicht an die Ölberg-Rede des wahren Messias erinnert:

“Wenn dann jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist der Christus, oder dort! so glaubt es nicht! Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen. Ihr aber, habt acht! Siehe, ich habe euch alles vorhergesagt. Wenn sie nun zu euch sagen: Siehe, er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus! Siehe, in den Kammern!, so glaubt es nicht! Denn wie der Blitz ausfährt von Osten und bis nach Westen leuchtet, so wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein. Wo das Aas ist, da werden sich die Geier versammeln.“

Gott selbst wird durch Jesus Christus Gerechtigkeit auf Erden schaffen. (c) Zach Bush, deviantart.com

Die tatsächliche Ankunft von Jesus aus dem Himmel wird niemandem entgehen. Schon die Propheten des Alten Testaments kündeten von einem “Tag des Herrn“, an dem sich alle Nationen bei Jerusalem versammeln werden, um es zu erobern (Joel 4,2; Zefanja 3,8; Sacharja 12,3). Man kann diesen zukünftigen, gigantischen Angriff als eine Art Fortsetzung der damaligen römischen Belagerung sehen. Die Nationen der Erde werden also in Massen direkt vor Ort sein, wenn Jesus wie ein Blitz erscheint, um sein Volk zu retten. Jerusalem ist das Aas, die Nationen sind die Geier. Wenn in unserer Gegenwart jemand nach einem Zeichen für die unmittelbare Ankunft von Jesus fragt, ist es vermutlich dieses. Wenn sich alle Nationen bei Jerusalem versammeln, steht das Ende unserer Ära bevor.

Aus anderen, prophetischen Bibeltexten erfahren wir, dass Jerusalem infolge dieses Angriffs erobert und geplündert und die Hälfte der Bevölkerung in die Gefangenschaft geführt werden wird (Sacharja 14,2+3). Doch schließlich, in der dunkelsten Stunde, erscheint der Messias in göttlicher Macht mit den Wolken des Himmels, seine Augen wie Feuerflammen (Offenbarung 19,12). „Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, […] und der Ölberg wird sich von seiner Mitte aus nach Osten und nach Westen spalten zu einem sehr großen Tal […]“ (Sacharja 14,4). Was danach folgen wird, ist die legendäre Schlacht von Megiddo (Armageddon), in der Jesus jegliche Rebellion gegen Gott zerschlagen und alles Böse auf Erden vernichten wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ankunft des Gottessohnes

Im nächsten Abschnitt seiner Rede verwendet Jesus eine Symbolsprache, die für moderne Europäer schwer zu verstehen ist. Wir neigen schnell dazu, etwas wörtlich zu nehmen, was für die Menschen damals womöglich eine eindeutige Metapher war. Beispielsweise steht das „Tosen des Meeres“ für Chaos, das der Schöpfung widerstrebt und meint im Speziellen den Aufstand von Völkern und Nationen (siehe Psalm 65,8). Wir müssen die damalige Kultur kennen und Jesu Worte mit anderen Bibelstellen vergleichen, um Symbolik zu erkennen und zu entschlüsseln. Hier kommt das große Finale:

“Aber gleich nach der Bedrängnis jener Tage wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und auf der Erde Angst der Nationen in Ratlosigkeit bei brausendem und wogendem Meer, während die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen, denn die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.“

Hier steckt die Antwort auf die zweite Frage der Jünger; die nach dem Zeichen der Wiederkunft Jesu: Ein nicht näher definiertes “Zeichen des Menschensohnes“ wird am Himmel erscheinen. “Menschensohn“ ist eine Selbstbezeichnung Jesu. Die Zuhörer damals wussten vielleicht, was mit diesem Zeichen gemeint ist, aber wir können es nicht sicher sagen. Viel entscheidender sind die Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, die Jesu Erscheinen direkt vorausgehen.

Die Himmelsphänomene, die Jesus hier beschreibt, sind aus anderen Bibeltexten gut bekannt. Der Prophet Joel schrieb: „Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt“ (Joel 3,4). Auch das große Buch der letzten Dinge, die Johannes-Offenbarung, enthält diese Szene: „Und es geschah ein großes Erdbeben; und die Sonne wurde schwarz wie ein härener Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum, geschüttelt von einem starken Wind, seine Feigen abwirft“ (Offenbarung 6,12+13). Interessant ist, dass hier der Feigenbaum zur Sprache kommt – mit genau dem gleichen Bild wird Jesus auch die Ölberg-Rede beenden. Aber fragen wir zunächst, was die Verfinsterung der Himmelskörper bedeutet.

Die Sonne steht in der gewaltigen Bildersprache der Bibel meist für Gott selbst (Psalm 84,12: „Gott, der HERR, ist Sonne und Schild“) oder für seinen Sohn Jesus Christus (Offenbarung 1,16). Eine verdunkelte Sonne könnte bedeuten, dass sich Gott von der boshaften Welt abwendet und sie ihrem Schicksal überlässt. Mit dem Mond könnten die Nachfolger Jesu gemeint sein, die ebenfalls nicht von sich aus „leuchten“, sondern nur durch den, der sie anstrahlt (vgl. Philipper 2,13-15). Wenn der Mond nicht mehr scheint bzw. rot wird wie Blut, kann das eine schlimme Zeit blutiger Verfolgung für die Gemeinde Jesu bedeuten. Die Sterne schließlich stehen meist für menschliche Könige und Obrigkeiten (Offenbarung 1,20; 12,4). Fallen diese Sterne auf die Erde, wird sinnbildlich ihre Herrschaft beendet und die großen Nationen der Erde gehen unter.

Ein roter Mond geht auf.

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Worte der Propheten sprichwörtlich erfüllen, bzw. dass die wörtliche und die übertragene Bedeutung eintritt, dass wir also tatsächlich spektakuläre Himmelsereignisse beobachten werden, die aber darauf hinweisen, dass in der geistigen Welt noch wichtigere Dinge vor sich gehen. Denkbar wäre eine Sonnenfinsternis und anschließend eine Mondfinsternis, wobei der Mond tatsächlich blutrot erscheinen kann. Beides zur selben Zeit ist schwer vorstellbar, denn bei einer Sonnenfinsternis befindet sich der Mond zwischen Sonne und Erde, während er bei einer Mondfinsternis auf der sonnenabgewandten Seite der Erde steht. Die Kräfte des Himmels müssten gewaltig „erschüttert“ werden, um so etwas möglich zu machen. Was die Sterne betrifft, so werden die wirklichen Sterne wohl kaum auf die Erde fallen, denn nur ein einziger von ihnen würde ausreichen, um die gesamte Erde zu pulverisieren. Hier kämen vielleicht Meteoriten-Einschläge in Frage, die durchaus den Eindruck erwecken könnten, dass jetzt die Sterne herunterfallen. Doch bis es soweit ist, muss das wilde Spekulation bleiben.

Verwandlung der Gerechten

Das alles klingt nicht gerade beruhigend, weshalb Jesus am Ende noch einmal unseren Blick auf das Wesentliche lenkt:

“Und er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, von dem einen Ende der Himmel bis zu ihrem anderen Ende. Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blickt auf und hebt eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.“

Wenn Christus auf Erden erscheinen wird, sammeln seine Engel all jene ein, die – bewusst oder unbewusst – dem Weg des Nazareners gefolgt sind und Nächstenliebe geübt haben (Matthäus 25,31-46). Was genau bedeutet aber die “Erlösung“, auf die die Jesus-Nachfolger hoffen können? Natürlich ist damit einerseits der Anfang einer Ära des Friedens gemeint, in der Jesus höchstpersönlich den ganzen Planeten so regieren wird, wie es von Anbeginn der Zeit gedacht war. Aber es ist noch viel mehr.

Der Apostel Paulus verrät: “Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune […]“ (1. Korinther 15,51+52). Weiter erklärt er: “Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein“ (1. Thessalonicher 4,16+17). Paulus sagt hier allen Ernstes, dass bei der Ankunft Jesu alle verstorbenen Gerechten zu neuem, unvergänglichem Leben erweckt werden. Sie werden gleichzeitig mit den noch lebenden Gerechten auf mysteriöse Weise in Geistwesen verwandelt und auf dem Luftweg zu Christus an den Ölberg gebracht. Das ist eine detaillierte Beschreibung dessen, was Jesus das “Versammeln seiner Auserwählten“ nannte.

Das Gleichnis vom Feigenbaum

Jesus schließt die Endzeit-Rede mit einem Gleichnis, das vergleichbar ist mit dem Bild der Wehen:

„Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich geworden ist und die Blätter hervortreibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So sollt auch ihr, wenn ihr dies alles seht, erkennen, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber sollen nicht vergehen. Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater.“

Dieses Bild will sagen, dass es grundsätzlich möglich ist, anhand der von Jesus genannten Zeichen der Zeit das jeweils nächste Ereignis ungefähr zu bestimmen, aber konkrete Zeitpunkte lassen sich nicht ableiten. Das ist die Antwort auf die erste Frage der Jünger, und sie gilt damals für Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas genau so, wie sie für Jesu Schüler heute gilt. Die Tatsache, dass nicht einmal Jesus selbst die exakten Zeitpunkte kennt, deutet vielleicht darauf hin, dass Gott sie überhaupt nicht im Voraus festgelegt hat.

Das “Geschlecht“, das nicht vergehen wird, bis alles geschehen ist, bezieht sich meiner Ansicht nach auf das Volk der Juden insgesamt, und nicht auf die Generation, die zur Zeit Jesu lebte. Die Aussage ist die, dass das jüdische Volk trotz aller Verfolgung und Zerstreuung unter die Nationen niemals vollständig ausgelöscht wird. Ein durchaus ermutigender Hinweis angesichts der furchtbaren Gräueltaten, die den Juden in den letzten Jahrtausenden widerfahren sind.

Ein Feigenbaum. (c) Cogi66 | Shutterstock.com

Spannend ist auch, dass Jesus den Feigenbaum als Bild wählt, und nicht etwa den Ölbaum (Olivenbaum), der in der Heiligen Schrift ein positives Bild für das jüdische Volk ist (Jeremia 11,16; Römer 11,17-24). Mit Öl wurden zur Zeit des israelitischen Königtums Gottes auserwählte Herrscher gesalbt, und gleichzeitig war es ein Bild für Gottes Geist, der auf diesen Menschen ruhen sollte (1. Samuel 16,13). Der Titel Messias bedeutet übersetzt “Gesalbter“. Dass Jesus, der Öl-Gesalbte, auf dem Ölberg stehend, jetzt von einem Feigenbaum spricht, wirkt wie ein bewusster Negativ-Kontrast. Seine Jünger mussten sich unwillkürlich an ein früheres Feigenbaum-Gleichnis erinnert fühlen: Ein Feigenaum stand in einem Weinberg, brachte aber drei Jahre lang keine Frucht, sodass ihn der Besitzer schon umhauen lassen wollte. Der Weingärtner erbat sich jedoch ein weiteres Jahr, in dem er den Baum ganz besonders pflegen wollte. Das wäre seine allerletzte Überlebenschance (Lukas 13,6-9). Das endgültige Schicksal des Baumes erfahren wir nicht, aber das stellt jeden Menschen vor die Frage: Bringt mein Leben Früchte, das heißt gute Taten, hervor?

Die Zukunft, die in der Ölberg-Rede beschrieben wird, ist chaotisch und schmerzvoll. Aber was am Ende dabei herauskommt, ist ein ewiges Friedensreich. Die Welt wird nicht untergehen. Sie wird verwandelt. Blickt auf, denn eure Erlösung naht!